Durchhalteparolen

Kopf hoch!
Ich bin für Dich da!
Vielleicht hilft es, wenn Du Dich ablenkst?
Raus an die frische Luft, das macht den Kopf frei!
Versuch nicht immer vom Schlechten auszugehen.
Betrachte die Dinge doch mal anders.
Das wird schon wieder!

Sätze wie diese zeigen immer die Hilflosigkeit und vielleicht auch Ahnungslosigkeit mit und von der Situation einer Depression. Sie kommen von Herzen und das ist auch schon alles Positive, was man dem abgewinnen kann, wenn man auf der anderen Seite steht. Denn in der Hoffnungslosigkeit und der Traurigkeit, bei all den Zweifeln und den Schuldgefühlen tun sie nichts, außer genau das zu verstärken.

Rational betrachtet ist klar, dass es für einen Außenstehenden nicht zu verstehen ist, was da vor sich geht. Und wie sich das anfühlt, wenn man eigentlich möchte, aber eben nicht kann. Etwas nicht zu können, was im Grund genommen doch im eigenen Ermessen, in der eigenen Kraft und der eigenen Vernunft liegt, ist schwer nachzuvollziehen. Warum sollte man etwas nicht können, wenn man es doch eigentlich will? Weil es ein Gefühl ist. Nichts, was man erklären kann, nichts was man beeinflussen kann und nichts, was man verstehen kann, wenn es nicht selbst fühlt.
Rational betrachtet ist es vielleicht auch gut, wenn Außenstehende die Dinge so sehen. Denn ihr Hirn funktioniert normal, im Gegensatz zum depressiven Hirn. In lichten Momenten hilft es vielleicht, Dinge positiver zu sehen. Aber diese lichten Momente sind sehr selten. Und die Durchhalteparolen behalten trotzdem immer einen schalen Beigeschmack, weil man sich nicht verstanden fühlt. Weil es suggeriert, dass man es vielleicht einfach nicht genug will, um es zu können.

Durchhalteparolen sollen helfen, die bestehenden Unzulänglichkeiten zu reflektieren und sollen zeigen, dass es theoretisch Möglichkeiten gibt, der Phase zu entkommen. Sie vielleicht sogar zu besiegen. Bei einer normalen Krise ist das auch möglich, ja sogar realistisch. 

Aber eine Depression ist eine Krankheit. Sie ist keine vorübergehende Laune, kein „im Moment ist man einfach nicht gut drauf“. Man hat nicht die Wahl, ob man heute gut oder schlecht drauf ist. Oder in dieser Stunde oder Minute. 

Kranke Menschen sind auf Hilfe gewiesen. Und diese Hilfe ist wiederum für gesunde Menschen schwer zu leisten. Gesunde Menschen haben hier ihre Grenzen und das soll auch so sein. Sie müssen ihre Grenze bewahren, um nicht selbst in den Abgrund gezogen zu werden. Und sie müssen den Abstand wahren, um helfen zu können. 

Aber: 

Sie können einfach da sein.
Sie können sich informieren.
Sie können zuhören.

Aber sie müssen auch ertragen, wenn sie nichts hören. Denn nicht immer kann man in Worte fassen, was gerade in einem tobt. Und oft möchte man das auch gar nicht. Denn ist schwer und kaum zu verstehen. Wenn man selbst schon nicht so richtig versteht, was mit einem los ist, wie soll man das jemandem erklären?

Aber sie müssen dabei nichts sagen.
Sie müssen keinen Mut zusprechen.
Sie müssen keine Starthilfe geben.
Sie müssen nicht verstehen, warum es so ist wie es ist. 

Sie müssen nur auf sich selbst acht geben. 

Denn sie können nicht auf den anderen acht geben, auch wenn sie es noch so gerne möchten. Auch das ist schwer zu ertragen. 

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