Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?

Herrmann Hesse hat mal gesagt, dass man nur Angst hat, wenn man mit sich selber nicht einig ist. Aber ist das wirklich so leicht? 

Das kann ich natürlich nicht wirklich gut beurteilen, denn bis ich mit mir selber einig bin, wird es wohl noch dauern. Böse Zungen im meinem Kopf behaupten sogar, dass ich da möglicherweise vergeblich warten kann, aber ich will mal nicht zu negativ starten.

Die Angst begleitet mich mein ganzes Leben. Sie ist vor allem in der eigenen Unsicherheit in Bezug auf mich selbst begründet, aber es gibt auch äußere Umstände, die ich nicht wirklich beeinflussen kann und die diverse Ängste bei mir auslösen. 

Die Angst ist immer ein Thema für mich, ihren Höhepunkt findet sie jährlich Anfang des Jahres, wenn ich meine Krebsuntersuchungen habe. Das ist eine für jeden nachvollziehbare Angst. Krebs ist ein großer Angstfaktor und das für jeden, ob er schon einmal daran erkrankt ist oder auch nicht. Ich muss dann nichts erklären, allein das Wort „Krebs“ reicht aus. 

Neben dem Krebsschatten in meinem Leben leide ich aber auch an einer Angststörung, die sich mal mehr und mal weniger zeigt. Und die nur sehr wenige auf Anhieb verstehen. Viele kleine (meist irrationale) Ängste im Alltag führen dazu, dass ich Dinge nicht oder nur sehr zögerlich angehen kann. Es gab Zeiten, in denen ich mich für angstbefreit hielt, weil mir typische Angstsituationen (dunkle Wege z.B.) nichts anhatten. Das ist auch heute noch so. Ich empfinde keine Angst, wenn ich spät nach Hause gehe oder mich in ein Flugzeug setze. Ich habe ein bisschen gebraucht, bis ich geschnallt habe, dass ich nicht angstbefreit, sondern – im Gegenteil – angstgestört bin.

Unbekannte Situationen lösen Unbehagen bei mir aus, welches ich nicht richtig greifen kann. Es kostet Überwindung, mich einzulassen – auf was auch immer. Oft merke ich dann aber gar nicht, dass es Angst ist, weil einzig der Vermeidungsgedanke im Vordergrund steht und ich es leicht mit Unlust verwechseln kann. Ich möchte mich einfach lieber vor einer bestimmten Situation drücken oder habe kein gutes Gefühl dabei, sie anzugehen. Kennt bestimmt jeder, das ist klar. Aber was, wenn es bei Situationen auftaucht, die eigentlich harmlos oder sogar gut sind? Treffen mit Freunden, in den Urlaub fahren oder einfach einkaufen gehen? 

Richtige Angstzustände sind noch einmal ein ganz anderer Gegner. In solchen Situationen überfällt mich ein überwältigendes Gefühl der Flauheit, ich kann schwer Atmen, werde panisch, zittere und weiß nicht wohin mit dieser Sturzflut an negativen Gefühlen. Auch das kann durch vermeintlich harmlose Situationen ausgelöst werden, verstärkt sich aber enorm, wenn ich gerade in keiner stabilen Lage bin. Dann habe ich große Mühe, meinen Kopf so unter Kontrolle zu bringen, dass er meinen Körper mit irgendwelchen Attacken in Ruhe lässt. 

Im Grunde genommen ist Angst an sich nichts Schlechtes. Die Angst ist ein Grundgefühl, wie die Freude zum Beispiel. Angst zu haben ist normal und lässt uns im besten Fall vorsichtiger und bedachter agieren. Das ändert natürlich nichts daran, dass das Gefühl der Angst kein sehr Angenehmes ist. Die Angst an sich bewegt sich im krankhaften Bereich, wenn es Situationen betrifft, die nicht unmittelbar lebensbedrohlich sind und wenn diese Angst einen Großteil der Gedankenwelt oder des Alltags einnimmt. 

Meine Angst treibt mich in depressive Phasen hinein. Aus der Vermeidungshaltung wird dann irgendwann die große Kapitulation. Ich mag diese flaue Nervosität nicht. Ich hasse es, in Situationen zu sein, in denen ich mich einfach vor allem verstecken möchte. Eine normale Alltagsangst zu überwinden kostet mich Kraft, weil es mir lieber wäre, gar nicht in der Situation zu sein und ich permanent mit Vermeidungsgedanken beschäftigt bin. Das Überwinden einer Angst bringt zwar letztendlich so etwas wie Erleichterung, die hält aber nie lange an. Aber es ist anstrengend. Es ist anstrengend, immer und immer wieder die selben Befürchtungen zu denken, es ist anstrengend, Vermeidungstaktiken zu entwickeln und es ist anstrengend gegen die Angst zu anzukämpfen.

Was mir hilft: 

Ich versuche, mir die Angst bewußt zu machen. Wahrzunehmen, welche Situation mir Unbehagen bereitet und diese dann auch ganz klar als Angst zu bezeichnen.

Ich beobachte mein Vermeidungsverhalten. Wie viel davon ist noch rational vertretbar und was kostet mich einfach zu viel Energie?

Ich habe gelernt, meine Dämonen nicht als Gegner zu betrachten und zu bekämpfen. Denn das kostet Kraft, die ich nicht mehr habe. Ich akzeptiere ihre Existenz und auch, dass sie manchmal stärker sind als ich. Das ist okay. Niemand kann immer stark sein. In der Akzeptanz dieser Dinge kann ich meine eigene Schwäche zulassen. Und genau das bringt mir eine viel größere Erleichterung als jedes Überwinden meiner Ängste. 

2 Comments

  1. Hallo liebe Jasmin! Du sprichst mir erneut aus dem Herzen! Es ist richtig, zu unterscheiden, ob ein Vermeidub´ngsverhalten auftritt oder es so viel Energie kostet, di eman evtl. gar nicht mehr hat, um sich auf die Angstsituation einzulassen. ich finde auch, dass Akzeptanz der Situation und der Angst hilft, irgendwie den eigenen Weg weiter zu gehen. Meine Therapeutin sagt dazu: sie sind halt nicht von der Stange… Jeder muss seinen eigenen Weg gehen und auch Grenzen akzeptieren und manchmal ist Vermeidung oder auch Schutz das Beste, was man tun kann oder eben auch nicht tut.
    Ganz liebe Grüße
    luna

    1. Liebe Luna, ich danke dir sehr für deinen Kommentar. Ich wünsche dir von Herzen, dass dich deine Ängste nicht mehr beherrschen werden und du immer die richtige Mischung aus Akzeptanz, Selbstschutz und manchmal auch notwendiger Vermeidung finden wirst. 💚

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