Mal was anderes…

Was ist, wenn ich, so wie ich bin, gar nicht mal so falsch bin?

Was ist, wenn ich sogar, so wie ich bin, ganz okay bin?

Mit all meinen Gefühlen, Gedanken und meiner Empathie? 

Den Positiven und den Negativen?

Was ist, wenn ich meine Empathie gar nicht als Last ansehe, sondern als ein besonderes Geschenk, was mir helfen kann, mit mir selbst und anderen achtsam umzugehen? 

Was ist, wenn jeder eigentlich nur im Rahmen der eigenen Kapazitäten agiert, so viel und wenig es auch sein mögen?

Was ist, wenn das alles so schon ganz in Ordnung ist? 

Im Prinzip sind all diese Glaubenssätze etwas, was ich seit Jahren in diversen Therapien gehört habe. Aber zwischen Hören und Verstehen und vielleicht sogar selbst so empfinden, da liegen bekanntlich Welten. Die Depression hat mich gelehrt, all diese Fragen für mich negativ, zumindest aber jede Frage mit einem „ja, aber …“ zu beantworten. Und es gibt eigentlich immer ein „ja, aber …“, egal auf welche Frage. Die Depression lehrt dich, dieses „ja, aber …“ immer mit dem Brustton der Überzeugung als Einleitung in eine für dich negative Antwort zu verwenden, auch wenn du es als die einzig richtige Antwort für dich selbst siehst. 

Wenn wir aber mal ehrlich zu uns selbst sind, dann ist die „Ja, aber …“-Antwort ein Arschloch. „Ja, aber …“ bedeutet, sich eigentlich nicht mit der Antwort in Gänze auseinanderzusetzen, sondern weiter im eigenen Komfortbereich zu schwimmen. Weil man hat da ja schon seine eigenen Erfahrungen gemacht und weiß es doch besser. „Ja, aber …“ hält dich aber auch dort gefangen und lässt keinen Raum für eine „Oh, so habe ich das noch gar nicht gesehen“-Antwort. Und das sind die Antworten, die wirklich etwas bewirken und dein eigenes Denken in eine neue Richtung lenken können.

Ich habe mir vorgenommen, Fragen nicht mehr mit einem „Ja, aber …“ zu beantworten. Weil mich das überhaupt nicht weiterbringt. „Ja, aber …“ ist Zögern und ich mag nicht mehr zögern.

In den letzten Jahren habe ich mich so viel mit mir selbst, meinen Gefühlen und meinen Gedanken auseinander gesetzt. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mich anderen zu erklären und dafür zu kämpfen, dass meine Depression als die Krankheit angesehen wird, die sie nun einmal ist. Ich bin sehr oft auf die Nase gefallen, habe sie mir blutig geschlagen und war entmutigt und hoffnungslos. Ich habe immer für etwas gekämpft, für mich, gegen ein Stigma und vor allem um mich. 

Das kostet wahnsinnig viel Kraft. Und ich mag nicht mehr kämpfen. 

Ich mag wirklich nicht mehr.

Weil ich dafür keine Kraft mehr habe. Und auch weil ich es ganz einfach nicht mehr spannend finde. Ich möchte niemanden mehr davon überzeugen, dass ich nichts dafür kann, dass es mir manchmal schlecht geht, wenn er es einfach nicht versteht oder verstehen möchte. Ich mag nicht mehr erklären, warum ich gegen die Einnahme von Medikamenten für mich bin oder wie eine Depression sich verhält. Ich habe das so oft getan, wer nicht zugehört oder verstanden hat, der mag in seiner Welt bleiben. Das ist seine Entscheidung, die er im Rahmen seiner Kapazitäten für dieses Thema trifft. Und das ist völlig okay.

Ich kann das gut akzeptieren. Jeder Mensch ist mit seinem Maß an Verständnis und Empathie ausgestattet. Ich kann diese Spanne nicht erweitern oder verkleinern. Aber ich kann akzeptieren, dass meine Spanne und meine Grenzen anders gefasst sind. 

Und ich kann beginnen, darin für mich Möglichkeiten zu sehen. Ich kann mich selbst kennenlernen. Das wird mich am Ende viel weiterbringen. Und wie könnte ich die eigene Kraft besser einsetzen, als für mich? Ich funktioniere nicht wie meisten Menschen. Ich fühle und denke oft zu viel. Das ist etwas, was ich bislang als Bürde angesehen habe. Was ist aber, wenn das gar nicht so sein muss? Was ist, wenn das eigentlich völlig okay ist? 

Ein Übermaß an Empathie ist anstrengend, wenn man versucht, es auf andere Menschen anzuwenden. Und ab einem gewissen Punkt ist es dazu leider auch sinnlos.

Um mir selbst den Umgang mit anderen Menschen zu erleichtern, muss ich mich selbst finden und verstehen. Warum fühle ich mich in Gegenwart fremder Menschen immer wie ein Außenseiter? Die einfache Antwort darauf ist, dass ich schon immer ein Außenseiter war. Der Unterschied zu heute ist, dass niemand mehr da ist, der mir sagt, dass das so ist, weil ich ein seltsamer Mensch bin. Im Gegenteil, ich erfahre Akzeptanz durch die Menschen, die mich kennenlernen. Aber der innere Außenseiter ist geblieben. Er wird lauter, wenn ich auf unbekannte Situationen treffe und ich beginne, mich unwohl zu fühlen. Aber warum eigentlich? 

Natürlich aus Angst, nicht gemocht oder akzeptiert zu werden. Diese Angst treibt jeden im Grunde an. In meinem Fall aber in nicht mehr gesunden Dimensionen. Die Frage für mich lautet vielmehr: Warum ist die Akzeptanz von Dritten für mich so viel wichtiger, als die eigene Akzeptanz?

Mir darauf eine Antwort zu geben, erfordert ein ganz schönes Stück Arbeit. Und Anstrengung. 

Ich möchte mich aber darauf konzentrieren, diese Anstrengung positiv zu nutzen. Mir keine „ja, aber …“-Antworten darauf zu geben, sondern vielmehr die Chance zu nutzen, einmal in Betracht zu ziehen, dass es gut und interessant sein kann. 

Die Depression lehrt mich so viel über mich selbst. Das ist ein Teil, für den ich wirklich dankbar bin. Weil ich dadurch die Chance habe, mich und mein Verhalten zu reflektieren und mein Denken zu verändern. Und ich möchte diese Chance nutzen. 

Es gibt Dinge, die ich verändern werde, weil ich sie endlich verstehe. Es gibt Chancen, die ich ergreifen werde, weil ich sie endlich sehe. 

Das mag mich von dem ein oder anderen wegführen, zu mir selbst aber nicht. Es wird mir helfen, mich nicht mehr verloren zu fühlen, sondern ich selbst als die Person wieder wahrzunehmen, auf die ich mich verlassen kann. 

Was könnte ich mir Besseres tun? Und für’s erste fange ich damit an, meine eigenen (guten) Glaubenssätze zu verinnerlichen, bis ich sie mir nicht nur eines Tages selbst glaube, sondern von ihnen überzeugt bin.

Denn das ist das stärkste Schutzschild, das ich mir bauen kann. 

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