Im Mai 2019 habe ich mit meiner Freundin Nora in ihrem Podcast „Mensch, Frau Nora!“ über meine Depression gesprochen.Seitdem ist viel passiert. Mit mir, um mich herum und vor allem in mir drin. Was genau, drüber sprechen wir. Sehr ehrlich, sehr tief und manchmal auch sehr lustig.
Schlagwort: Depressionen
Erst denken, dann reden
Ich würde mir wünschen, dass mit dem mittlerweile doch ein wenig wachsendem Bewusstsein für psychische Krankheiten auch ein Sensibilisieren in der eigenen Sprache einsetzt. Es gibt keinen Grund, irgendeine Krankheit zu bagatellisieren, denn sie erfordert immer eine Leidenszeit, egal wie ausgeprägt oder bedrohend sie sein mag. Wir sollten anfangen, dies in unserer Sprache zu berücksichtigen und Dinge trotzdem ernst zu nehmen, auch wenn wir sie vielleicht selbst nicht erfassen können.
Brain: I see you’re trying to sleep, so I can offer you a selection of your worst memories from the last 10 years
Keine Atemübung der Welt schafft es, mein Gedankenkarussel zu stoppen. Das gelingt mir schon tagsüber meist nur mit Mühe, in der Nacht bin ich komplett verloren. Mangels Serotonin ist es, als würde mein Kopf gegen die nächtliche Stille anbrüllen. Er piesackt mich mit alten Erinnerungen und noch älteren Gefühlen, springt von Gedanke zu Gedanke und lässt mich Entscheidungen noch einmal überdenken, oder besser: anzweifeln. Ich hänge verpassten Chancen hinterher und wie ein Blitzlichtgewitter ploppen immer wieder aktuelle Fragen und Erlebnisse auf, als würde alles noch nicht reichen.
Was es bedeutet
Es gibt nicht viele Menschen, die dir in diesem Schmerz die Hand reichen und dich vor dem Ertrinken retten können. Meist ist es schon großes Glück, wenn man einen Menschen im Leben trifft, der das kann.
Übrigens: ich bin lebensfähig
Sieh genau hin, denn ich bin mehr als meine Krankheit. Ich bin ein eigenständiger Mensch, der sein Leben auf die Kette kriegt und ich war nie weniger als das.
Das Ding mit der Selbstliebe
Da ist die Frage, ob ich überhaupt jeden einzelnen Tag glücklich sein möchte? Glück ist für mich ein Zustand der Superlative – schwer zu erlangen und vor allem zu halten.
Mal was anderes…
Die Depression lehrt mich so viel über mich selbst. Das ist ein Teil, für den ich wirklich dankbar bin. Weil ich dadurch die Chance habe, mich und mein Verhalten zu reflektieren und mein Denken zu verändern. Und ich möchte diese Chance nutzen.
Echte Fründe (wie man in Köln sagt)
Vor einiger Zeit durfte ich dem ze.tt-Magazin aus dem Zeit-Verlag ein paar Fragen rund um das Thema Depressionen und Freundschaft beantworten. Herausgekommen ist ein wunderbarer…
Notiz
Depressionen sind real. Sie sind eine ernste Erkrankung, die einen schweren Verlauf haben können. Niemand wird einfach so des Lebens überdrüssig. Und darüber sollten wir reden. Und noch viel wichtiger: wir sollten zuhören, uns schlau machen, um zu verstehen.
Akzeptanz
Warum etwas passiert ist, wenn es passiert ist, ändert nichts daran, dass es passiert ist. Es ist am Ende unnötig, sich darüber wieder und wieder den Kopf zu zerbrechen.
Die Wurzel allen Übels
Die Wurzeln tun weh. Sie drücken die Luft zum Atmen ab. Da ist kein friedliches Rauschen, kein schönes Grün, da sind keine Vögel, die fröhlich zwitschern.
Ein Hoch auf…
Du magst Dich einsam fühlen, aber Du bist niemals allein. Denn irgendwo da draußen, da sind sie – Deine Helden, mit wehendem Cape und einem großen Licht in der Hand, damit Du den Weg finden kannst. Mit lautem Herzschlag, der Dich zur Ruhe bringt und offenen Armen, um Dich ganz festzuhalten, wenn Du keine Kraft mehr hast, allein zu stehen.
Verlorensein
Es ist schwer zu erklären, wie es sich anfühlt, sich selbst zu verlieren. In sich selbst. Allein dieser Satz macht für jemanden, der normal denkt, kaum Sinn.
Aushalten
Sich zu verlieren, sich in sich selbst zu verirren, birgt immer die Gefahr der Zerstörung. An Zerstörung ist meiner Meinung nach generell nichts romantisch oder aufregend. Sich dem hinzugeben führt unweigerlich zu einem unglamourösen Ende. Dagegen anzukämpfen kostet alle Kraft die man hat.
Einsamkeit
Meine Einsamkeit ist schon Bestandteil meines Lebens geworden. Sie war schon immer da. Sie ist mal stärker und mal schwächer ausgeprägt. Aber sie war und ist immer da. Egal, ob ich in einer Beziehung bin oder nicht. Vielleicht weil ich immer das Gefühl hatte, dass man mich nicht versteht.
Verlust
Der Verlust ist eine Lücke. Wer mag schon Lücken? Die wenigsten Lücken werden ordentlich geschlossen. Meist wird irgendetwas hineingestopft, damit eben keine Lücke da ist. Da ist erstmal egal, ob es dahin gehört oder nicht.
Tränen
Tränen, die aus Verzweiflung entstehen sind schmerzhaft. Sie brennen sich auf dem Weg durchs Gesicht ein und tropfen gefühlt wieder in Herz und Seele, wo sie sich für den nächsten Ausbruch sammeln.
Tränen, die aus Verzweiflung entstehen sind meist recycelt aus den Tränen, die man schon einmal aus Angst, Traurigkeit, Verletzungen, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung vergossen hat.
Durchhalteparolen
Kranke Menschen sind auf Hilfe gewiesen. Und diese Hilfe ist wiederum für gesunde Menschen schwer zu leisten. Gesunde Menschen haben hier ihre Grenzen und das soll auch so sein. Sie müssen ihre Grenze bewahren, um nicht selbst in den Abgrund gezogen zu werden. Und sie müssen den Abstand wahren, um helfen zu können.
Verletzungen
Wenn das große Nichts sich mit lautem Getöse in dir ausbreitet, dann beginnt der Kampf. Wenn jeder Gedanke ein weiterer Beweis für die allumfassende Hoffnungslosigkeit ist, wenn jede Erinnerung dir die Worte raubt und nur noch Tränen hinterlässt, dann weißt du eigentlich schon, dass du den Kampf nicht gewinnen wirst. Nicht gewinnen kannst. Denn die Hoffnungslosigkeit ist so viel stärker als du selbst es bist.
Vermissen
Etwas zu vermissen, bedeutet, dass es nicht mehr da ist. Es wurde aus dir herausgerissen. Ohne, dass du das jemals gewollt hättest oder etwas dagegen machen konntest. Nichts, was bewusst passiert, keine Entscheidung, die du aus vollem Herzen treffen konntest. Manchmal passiert es schleichend, manchmal ganz plötzlich und brutal.