Was es bedeutet

„A lone walker is both present and detached, more than an audience but less than a participant. Walking assuages or legitimizes this alienation.“

R. Solnit

Es gibt Tage, an denen ich zu viel gesehen, gehört und erlebt habe, an denen ich nicht mehr kämpfen mag. An denen ich meine Waffen strecken, mich zusammenrollen will, meinen Kopf mit meinen Händen schützen möchte und darauf warte, dass mich jemand abholt, in die Arme nimmt und mir sagt, dass es in der nächsten Minute nicht mehr so schlimm ist, weil ich nicht allein bin. 

All das, was mir passiert ist, habe ich allein durchgemacht und überstanden. An guten Tagen kann ich darauf stolz sein, weil ich es mit meiner eigenen Kraft geschafft habe, auch wenn ich immer dachte, dass sie dafür nicht mehr langt. Aber ich bin aufgestanden, wurde belohnt, bin wieder gestolpert, habe es aber immer wieder geschafft weiterzumachen. 

An schlechten Tagen reißt mich das runter in die Dunkelheit. Der Wunsch, beschützt zu werden ist dann so groß, dass der Schmerz mir die Luft zum atmen nimmt. Weil ich nie beschützt wurde. Mein inneres Kind erinnert mich immer wieder daran. Schmerz und Traurigkeit sind alte Freunde, die immer wieder gerne zu Besuch kommen. Heute ist wieder so ein Tag. Ich zittere, und schluchze, während ich das hier schreibe, weil ich nicht weiß, wohin mit meinem Schmerz.

Ich habe Freunde, die sich um mich und für mich sorgen. Aber kaum jemand versteht mich. Das macht mich zu einem Alien unter den Menschen. 

Lange Zeit habe ich gedacht, dass ich auf der Suche nach (unverdienter) Aufmerksamkeit bin, wenn ich über meinen Schmerz spreche. Selbstabwertung par excellence. 

Heute weiß ich: es hat gar nichts damit zu tun, dass ich es nicht verdiene, dass man mir zuhört. Dieses dumpfe Gefühl rührt nicht aus der Selbstabwertung, sondern daher, dass die wenigsten verstehen, wovon ich spreche. Sie verstehen, dass es schrecklich ist, was mir widerfahren ist, aber das bringt mich nicht dazu, mein inneres Kind zu umarmen. Ich dachte lange Zeit, dass wenn jemand mich dafür bemitleidet, was geschehen ist, bin ich weniger einsam. Dass das vielleicht ein kleines Pflaster auf meinen Wunden sein könnte. 

Das Gegenteil ist aber der Fall, ich bin noch einsamer, weil mich niemand versteht. 

Es gibt nicht viele Menschen, die dir in diesem Schmerz die Hand reichen und dich vor dem Ertrinken retten können. Meist ist es schon großes Glück, wenn man einen Menschen im Leben trifft, der das kann. 

Ich habe dieses Glück. 

Da ist ein Mensch, der in den richtigen Momenten die richtigen Dinge tut, den ich im freien Fall sehen kann und der es dann oft schafft, meinen Sturz abzufedern. Er bringt mir immer wieder das Gute und Licht in mein Leben. Und zwar dann, wenn ich es am nötigsten brauche. Ohne es zu wissen. Er hat mein Denken so manches mal in eine andere Richtung gedreht und mich mit seiner Güte und seinem guten Herzen auf einen Weg gebracht, auf dem ich meine Dämonen auch mal abhängen kann. 

Diese Verbindung bedeutet mir so viel. 

Es ist nicht einfach, mit meinen Dämonen zu leben. Es ist nicht einfach, mit mir klarzukommen. Ich habe den Rückzug in mich selbst perfektioniert. Ich tendiere dazu, Gutes, das mir widerfährt nicht zu sehen, weil es mir schwerfällt, mit guten Gefühlen umzugehen. Es ist verrückt, dass man irgendwann ein Muster entwickelt, in dem Schmerz das vertraute Gefühl ist und in dem das Gute so unbekannt und vage ist, dass man lieber den Schmerz wählt, weil man sich darin halt besser auskennt. 

Die Suche nach Schutz ist nicht gerade eine Erfolgsgeschichte in meinem Leben. Wenn er da war, dann hat es sich nicht richtig angefühlt, weil ich mich nicht verstanden fühlte. Ich komme immer wieder zu dem Schluss, dass ich mich nur selbst beschützen kann. Vielleicht muss ich dafür akzeptieren, dass meine innere Waage nicht richtig geeicht ist. Vielleicht muss ich den Schmerz und die Traurigkeit als die Freunde begreifen, die sie sind – in mir drin und trotzdem nicht alles beherrschend. Dass es das Gute gibt, muss einen Wert haben. 

“For many years, I have been moved by the blue at the far edge of what can be seen, that color of horizons, of remote mountain ranges, of anything far away. The color of that distance is the color of an emotion, the color of solitude and of desire, the color of there seen from here, the color of where you are not. And the color of where you can never go.” 

R. Solnit

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