Dauerlauf

Ich bin so viel gelaufen, ja, richtig gerannt, ich habe keine Puste mehr. Andauernder Gegenwind hat meine Beine müde gemacht. Die Windmaschine dafür habe ich selbst in der Hand gehabt, natürlich immer auf höchster Stufe.  

Ich war ständig auf der Flucht. Getrieben von meinen Gedanken, Gefühlen, Ängsten und Unsicherheiten bin ich immer weiter in immer dunklere Gegenden gerannt. Mit jedem Schritt habe ich mehr die Orientierung verloren, habe unentwegt panisch zurückgeschaut und bin dabei immer schneller gelaufen. Völlig kopflos. Wenn die Angst meine Beine gelähmt hat, habe ich die Zähne zusammengebissen und bin mit aller Macht weitergelaufen. Scheiss auf den Schmerz.

Klar rennt man dann unweigerlich mal mit Schmackes gegen eine Wand, weil man halt schon lange nicht mehr drauf achtet, was vor einem liegt. Dann bin ich auch mal kurz liegen geblieben, habe mich von der Dunkelheit verschlucken lassen und mich in meine Angst eingehüllt. Dabei war es immer kalt und nass und mein Körper hatte keine Chance sich zu regenerieren. 

Ich bin vor mir selbst weggelaufen. Denkt man da mal rational drüber nach, ist das ziemlich unsinnig. Aber die Rationalität spielt in meiner dunklen Welt eben keine Rolle. 

Ich habe 44 Jahre gebraucht, um herauszufinden, dass es eigentlich viel gesünder ist, mal auf mich zuzulaufen. Um dann vielleicht irgendwann mal stehen zu bleiben und in den Himmel zu gucken. 

Das Gefühl der Getriebenheit hat sich in den letzten Monaten immer mehr aufgelöst und heute gibt es sogar Tage, an denen ich es fast gar nicht mehr fühlen kann. Ich bin dabei, mein Leben zu ordnen. Vieles war so viele Jahre lang ein Chaos, bei dem ich immer mehr den Überblick verloren habe. Unordnung macht mich nervös, weil sie mir die Kontrolle nimmt. Genauso wie viel Kram, der überall rumliegt. Ich mag’s nicht, wenn es voll ist. Ein gewisses Maß an Ordnung und Kontrolle ist wichtig für mein inneres Gleichgewicht. 

Das erlange ich aber nicht im Dauerlauf. 

Wenn ich ständig weglaufe, bin ich eben nur mit dem Laufen beschäftigt. Ich renne dabei an allen Punkten vorbei, die mir helfen könnten, meine Energie wieder aufzufüllen. 

Also habe ich mich entschieden, stehen zu bleiben. 

Mal Luft zu holen und zu schauen, wo ich eigentlich gerade bin. 

Ich habe mich selbst angesehen und die Gefahr eingeschätzt, die von mir selbst ausgeht. 

Ich habe angefangen, meine Gedanken zu ordnen und ich versuche, keine Angst mehr vor meinen Gefühlen zu haben.

Ich schaue, welche Ressourcen da sind, und wie sie mir helfen können. 

Ich habe mich mehr mit mir selbst auseinander gesetzt, als es andere jemals in einem Leben tun. Und ich werde es weiterhin tun. Aber eben ohne Angst. 

Wenn die Angst verschwindet, dann verschwindet auch die Dunkelheit, die Nässe und der Nebel. Alles wird hell und warm. Ich habe Zeit, mal durchzuatmen.  Ich werde einen Schritt auf mich selbst zugehen und schauen, was passiert. Denn ich habe erkannt, dass ich bei mir sein muss, damit ich Ruhe finden kann. 

Und diese Ruhe habe ich dringend nötig nach dieser ganze Rennerei. 

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